Entgegnung auf Buchrezension von »Wort und Wissen«

Dr. Mark Marzinzik

Kürzlich erschien eine Rezension des von uns auf Deutsch verlegten Buches von Darrel R. Falk »Evolution für Evangelikale – Friedensschluss zwischen Glaube und Biologie« auf der Website der Studiengemeinschaft »Wort und Wissen«. Dazu im Folgenden einige Anmerkungen.

Gleich im ersten Absatz schreibt Reinhard Junker in seiner Rezension: »Der Untertitel suggeriert eine Frontstellung zwischen Biologie und Glaube; dabei ist mit ›Biologie‹ offenbar die Evolutionslehre gemeint. Hier muss betont werden, dass Biologie als Naturwissenschaftsdisziplin und (christlicher) Glaube keine Feinde sind, die für einen Friedensschluss erst noch gewonnen werden müssten. Biologie bzw. (im Original-Buchtitel) ›Science‹ werden fälschlicherweise mit Evolution gleichgesetzt, was sachlich nicht gerechtfertigt ist. Damit schließt sich der Autor der besonders in der Presse häufig gemachten Behauptung an, dass Evolutionskritiker gegen Wissenschaft kämpfen, wenn sie eine allgemeine Evolution der Lebewesen in Frage stellen.«

Selbstverständlich empfinden sich Kurzzeitkreationisten nicht als wissenschaftsfeindlich. Allerdings macht Falk in seinem Buch deutlich, dass eine 6-Tage-Schöpfung nicht nur mit einem Teilbereich der Biologie (der Evolutionsbiologie) im Widerspruch steht, sondern mit quasi allen Naturwissenschaften (vielleicht mit Ausnahme der Chemie). Die deutlichsten und stärksten Hinweise auf eine gemeinsame Abstammung stammen heute aus der Genetik. Die Erkenntnisse aus der Geologie, Kern- und Astrophysik weisen übereinstimmend auf ein hohes Alter der Erde und des Universums hin, was ebenfalls mit dem Kurzzeitkreationismus nicht kompatibel ist. Deshalb impliziert die Ablehnung langer Zeiträume und der Evolution der Lebewesen durchaus eine Ablehnung der Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften und ihrer Methoden.

Im nächsten Absatz schreibt Junker, dass Titel und Untertitel vermuten ließen, dass es vor allem um theologische Argumente ginge. Das scheint allerdings nur die Erwartung des Autors der Rezension zu sein. Im Titel wird nur von einem Friedensschluss zwischen Glaube und Biologie gesprochen und spätestens die Erläuterungen auf der Rückseite des Buches machen deutlich, dass es um die »Erkenntnisse der Naturwissenschaften zur Entwicklung des Lebens auf der Erde« geht und darüber hinaus »Brücken zum christlichen Glauben« gebaut werden. Die Versprechungen auf dem Cover decken sich also durchaus mit dem Inhalt.

Junker bemängelt, dass Falk relevante Gegenargumente nicht ansprechen oder zu unkritisch darstellen würde. Sicherlich sind in der Evolutionsbiologie noch nicht alle Fragen gelöst (was für andere Wissenschaftsgebiete genauso gilt – davon »lebt« die Wissenschaft schließlich). Aber die Frage ist, wie die vorhandenen Befunde und Erkenntnisse am schlüssigsten gedeutet werden können, und da ist die Evolutionstheorie bislang das deutlich schlüssigste Konzept. Auffallend an der ganzen Rezension ist, dass Junker auf die zahlreichen von Falk genannten Hinweise auf Evolution und die hohen Alter gar nicht eingeht. Vermutlich aus dem einfachen Grund, dass überzeugende alternative Deutungsmöglichkeiten für die präsentierten Daten fehlen. Das gibt Junker indirekt auch zu, wenn er schreibt, dass es für die Sicht einer »Jahrmilliarden währenden Evolution der Lebewesen […] [z]weifellos […] mehr oder weniger gute Argumente« gibt. Deshalb bleibt nur der Rückzug auf theologische Argumente – ähnlich wie einst bei Kopernikus und Galilei bezüglich der Frage, ob sich die Erde um die Sonne dreht. Da hatte die Kirche zum Schluss auch nur noch theologische Gegenargumente. Natürlich ist es nicht leicht, vertraute und liebgewonnene Interpretationen des Bibeltextes aufzugeben – aber dazu war die Kirche, wie gesagt, schon einmal gezwungen. Heute verstehen wir Bibelstellen, in denen gesagt wird, dass die Erde feststeht und Säulen hat, natürlich symbolisch bzw. im übertragenen Sinne, weil die Naturwissenschaft zweifelsfrei gezeigt hat, dass die Erde keine Säulen hat und sich um die Sonne dreht. In diesem Fall hat die Theologie sich von der Natur(wissenschaft) belehren lassen. Damals hat man (nach einiger Zeit des Widerstandes) akzeptiert, dass Gott sich »auch durch menschliche Forschung offenbart« – im Falle der Evolutionstheorie hält Junker einen solchen Schritt allerdings für inakzeptabel. Die Bibel weist allerdings selbst darauf hin, dass »Gottes ewige Kraft […] seit Erschaffung der Welt in dem Gemachten wahrgenommen« wird (Röm 1,20), was besagt, dass Gott sich durchaus (auch) in der Natur offenbart.

Falks Feststellung, dass im Schöpfungsbericht häufig von einer »vermittelnden Schöpfung« (S. 2) die Rede ist (wenn es z. B. heißt »Die Erde lasse hervorbringen«), bewertet Junker als »zwar richtig, aber auch wieder einseitig« (S. 2). Insbesondere bei der Erschaffung des Menschen schildere »die Heilige Schrift an vielen Stellen Gottes unmittelbares Schöpferwirken, durch das er in den gewöhnlichen Lauf der Dinge eingreift« (S. 2). Richtig! Jesus hat viele solche Wunder vollbracht. Gott kann Wunder tun, das ist keine Frage. Und er hätte auch die Lebewesen durch Wunder schaffen können. Das schreibt auch Falk in seinem Buch. Aber ob er es so getan hat oder dazu natürliche Prozesse benutzt hat, ist damit noch nicht ausgemacht!

Fraglich ist auch, ob, wie Junker in seinem Anhang behauptet, Jesu Handeln für das biblische Schöpfungsverständnis maßgeblich ist. Jesu Wunder dienten, wie Junker selbst feststellt, dem Zweck, Jesu göttliche Macht und Autorität zu zeigen und ihn als Sohn Gottes erkennbar zu machen – und nicht in erster Linie dem Ziel, Neues zu erschaffen. Deshalb ist es fraglich, ob Schöpfung wirklich immer »ein Eingreifen in die Abläufe der Natur« (S. 4) bedeutet und ob Jesu Handeln auf die Entstehung des Lebens übertragbar ist. Jesus hat Kranke geheilt, Dämonen ausgetrieben und Tote auferweckt. Aber er hat während seines irdischen Lebens keine neuen Lebewesen geschaffen!

Richtig ist Junkers Feststellung, dass Falk in seinem Buch den Schwerpunkt auf die Biologie gerichtet hat und nicht auf die theologischen Konsequenzen (die aber durchaus angesprochen werden, wenn auch weniger umfangreich). Als Biologieprofessor ist es ihm ein Anliegen, den Christen die vielfältigen Hinweise auf eine allmähliche Entstehung der Lebensvielfalt aufzuzeigen, um unnötigen Widerstand zu beenden und für eine größere Offenheit in dieser Frage zu werben, damit niemandem der Weg zum Glauben versperrt wird, nur weil er die Evolution für wahr hält. Und dafür ist es einfach nötig, die zahlreichen naturwissenschaftlichen Belege zu nennen. Natürlich ist es wünschenswert, die theologischen Konsequenzen mehr zu vertiefen, als das in Falks Buch geschieht, aber das ist ein zweiter Schritt. Ein Buch kann und muss nicht alles leisten.