Sind Krankheit und Tod Gottes Wille?

Kerstin Marzinzik

Beweisen Jesu Krankenheilungen und Totenauferweckungen nicht, dass Krankheit und Tod nicht Gottes Wille für diese Welt sind? Krankheit und Tod widersprechen definitiv Gottes Willen für die zukünftige Welt.

Jesu Wunder hatten vor allem ein Ziel: Jesus gewissermaßen zu „autorisieren“ – zu zeigen, dass er wirklich der erwartete Messias ist. Außerdem hat Jesus den Menschen von Anfang seines Dienstes an verkündigt, dass das Reich Gottes nahe gekommen ist. Deshalb können die Heilungen und Totenauferweckungen auch als „kleine Einblicke“ in das Reich Gottes gewertet werden, indem Jesus den Menschen zeigte, wie es im Reich Gottes sein würde. Übrigens gab Jesus auch seinen Jüngern die Macht, Kranke zu heilen und Tote aufzuwecken, als er sie mit der Botschaft des nahe gekommenen Reiches der Himmel aussandte.

Mt 10,7-8: Wenn ihr aber hingeht, predigt und sprecht: Das Reich der Himmel ist nahe gekommen. Heilt Kranke, weckt Tote auf, reinigt Aussätzige, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr empfangen, umsonst gebt!

Manchmal hat Jesus zuerst Sünden vergeben, bevor er geheilt hat. Z. B. als ein Gelähmter durch das Dach eines Hauses zu ihm gebracht wurde:

Mk 2,5: Und als Jesus ihren Glauben sah, spricht er zu dem Gelähmten: Kind, deine Sünden sind vergeben.

Das heißt aber nicht, dass Jesus hier Sünde und Krankheit als zusammengehörig betrachtet. Sonst hätte der Gelähmte eigentlich gesund sein müssen, nachdem ihm die Sünden vergeben waren. Doch dazu war ein zweites Machtwort Jesu nötig (Mk 2,11)! Man wird dieser Stelle wohl eher gerecht, wenn man annimmt, dass Jesus zuerst auf das tiefere und wichtigere Problem hinwies: das der Sünde (das auch alle sonst gesunden Zuhörer betraf!). Sündenvergebung ist viel wichtiger als körperliche Heilung. Doch um seine Macht zu beweisen (denn ob Jesus wirklich die Macht hatte, Sünden zu vergeben, konnte man natürlich nicht sehen) und weil Jesus gnädig ist, heilte er den Gelähmten zusätzlich noch.

Dass der Zusammenhang zwischen Sünde und Krankheit nicht so einfach ist, zeigen auch andere Bibelstellen. Äußerst interessant ist z. B. die Begebenheit in 1.Mo 12, als Abraham während einer Hungersnot nach Ägypten zog und seine Frau als seine Schwester ausgab. Das entsprach zwar der Wahrheit (sie war seine Halbschwester), vertuschte aber bewusst, dass Sarah seine Frau war und führte dazu, dass der Pharao ein Auge auf sie warf. Darauf schlug Gott den Pharao und sein Haus mit großen Plagen – und das, obwohl Abraham an allem Schuld war, während Abraham trotz seiner Lüge oder Heuchelei unbehelligt blieb! (Ähnliches wiederholte sich kurz darauf; 1.Mo 20.)

Im NT wird mehrfach explizit gesagt (sogar von Jesus selbst), dass es keine automatische Beziehung zwischen einer konkreten Sünde und Krankheit bzw. Tod gibt:

Joh 9,2-3: Und seine Jünger fragten ihn und sagten: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder dieser hat gesündigt noch seine Eltern, sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbart würden.

Lk 13,1-5: Zu dieser Zeit waren aber einige zugegen, die ihm [Jesus] von den Galiläern berichteten, deren Blut Pilatus mit ihren Schlachtopfern vermischt hatte. Und er antwortete und sprach zu ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer vor allen Galiläern Sünder waren, weil sie dies erlitten haben? […] Oder jene achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und sie tötete; meint ihr, dass sie vor allen Menschen, die in Jerusalem wohnen, Schuldner waren? Nein, sage ich euch, sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle ebenso umkommen.

Jak 5,14-16: Ist jemand krank unter euch? Er rufe die Ältesten der Gemeinde zu sich, und sie mögen über ihm beten und ihn mit Öl salben im Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden. Bekennt nun einander die Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet! Viel vermag eines Gerechten Gebet in seiner Wirkung.

Auch die Verse aus dem Jakobusbrief leugnen eine zwingende Verbindung von konkreter Sünde und Krankheit. In Vers 15 steht zwar, dass wenn der Kranke gesündigt hat, ihm aufgrund des Gebetes vergeben wird – aber das „wenn“ zeigt deutlich, dass die Krankheit nicht zwingend Folge einer Sünde sein muss.